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D U R C H D A S E L Z B A C H T A L Z U R M O S E L Von Mayen über Monreal durch das Elzbachtal an die Mosel - Burg Eltz -
Gibt es für einen deutschen Romantiker etwas Schöneres, als sich über die rauhen Hochflächen und durch die tiefen Taleinschnitte der Eifel, zu Fuß und Schritt für Schritt, dem deutschen Märchenfluss, der Mosel, zu nähern?
Noch eben wird vom weichen Abendsonnenlicht das gegenüberliegende Ufer bei dem Örtchen Moselkern ockerbraun herbstlich beleuchtet, treten mit zunehmender Dunkelheit die Hunsrückhöhen schärfer vor den blauen Abendhimmel. Sterne funkeln bereits.
Hier an der Straßenmündung zur Moseluferstraße werden auf dem Richtungsschild dreiunddreißig Kilometer nach Koblenz und achtzehn Kilometer nach Cochem vermeldet.
Hier ist auch der Ort, in dem das Flüsschen Elz in die Mosel mündet.
HGE war an einem strahlenden Herbstsonnabend im Oktober in der kleinen Hauptstadt der Eifelvulkanregion, in Mayen, losgegangen und nach über vierzig Kilometern, ohne lange Unterbrechungen, nach acht Stunden in Moselkern angekommen.
Von Mayen, das von einem mittelalterlichen Mauerring teilweise umschlossen und von der Genovevaburg überthront wird und mit einem alten, hübschen Marktplatz geschmückt ist, steigt der Eifel-Fernwanderweg stets aufwärtsführend nach Südwest an. Bald nach Erreichen der höchsten Höhe führt der Pfad dann in die Bachsenke der noch jungen Elz.
Vorbei an der verfallenen Burgruine „Monreal“, immer der Fließrichtung entlang, winden sich Fluss und Wanderpfad durch manche Talenge. Die Berge und Hügel werden schroffer und höher. Viele alte Wassermühlen bremsen den Lauf des Baches, manche von betuchten Städtern aus Köln, Koblenz und anderen Großstädten exklusiv restauriert. Sie gaukeln heute einen Wohlstand vor, den es früher, als die Mühlen noch in Betrieb waren, hier sicher nicht gab.
Ein herbstlicher Dom aus weichen Braun-, Gelb- und Rottönen empfängt den Wanderer mit gotischer Wucht in diesem Buchenbestand am Westufer der Elz. Herbstlich stille Andacht vor soviel göttlicher Nähe und Größe. Nur die Natur kann diese Großartigkeit in der ganzen Komplexität der Schöpfung bieten.
Wann nur nach all den andauernden Wandermühen leuchtet endlich Burg Eltz auf hoher Klippe in der Abendsonne auf? Stunde um Stunde ist vergangen, die Füße beginnen zu schmerzen. Der Meilenstein aus uralter Zeit bei Monreal zeigt die Entfernung an, die noch zu gehen ist: achtundzwanzig Kilometer! Ist das heute noch zu schaffen?
Doch mit einem Mal ist alle gegenwärtige Mühsal vergessen! Um die nächste Biegung ragt auf hohem Fels majestätisch Burg Pyrmont auf. Eine HGE unbekannte mittelalterliche Burgschönheit! Hohe Mauern aus rheinisch dunklem Schiefer, aus dem nahen Bruch geholt, strenge Fenster gegen Süden, ein mächtiger Bergfried hält ruhige Wacht. Wer hauste hier fernab von jedem lieblichen Leben? Drunten im Tal stürzt die Elz über eine schwarze Kante in den dunklen Mühlenteich.
„Noch zwei Stunden bis zur Krönung des Tales, zur Burg Eltz“, sagt das junge Wanderpaar. Er mit glitzernden Schweißperlen auf der Stirn, als es galt, ein privates Refugium einer alten Mühle über hohen Bergrücken zu umgehen. Zwei Stunden noch, wo die Beine eigentlich bereits hier nicht mehr wollen. Windung um Windung am plätschernden Flüsschen, manch hoher Fels ist zu ersteigen, kein Ende der Mühen in Sicht! Es waren doch bereits sechs Stunden unaufhörlichen Wanderns vergangen!
Doch dann: zuerst Burg Trutzeltz, „Gott zum Schutz und Trutze“, am linken Hang. Und dort zur rechten Hand: Burg Eltz hoch oben auf der Klippe. Ein letzter steiler Anstieg, dann Stimmen: holländisch und deutsch, zungengelöst vom klaren weißen Wein derer von und zu Eltz, von den Weinbergen am Rhein, der in der Burgschenke ausgeschenkt wird. Die Menschenmenge wogt dem nahen Parkplatz zu. Besuchsende am Abend dieses Tages. Doch das Burgtor ist noch offen. HGE kann noch eintreten und den Zauber und die Mystik des jahrhundertealten Platzes empfangen.
Sogar allein im Burghof! Letztes Weinlaub, tiefrot gefärbt, nur wenige trockene Blätter welken am höchsten Burgturm, zwischen Märchenschloßfenstern und rotem Fachwerk. Gotische Dächer, funkelnde Butzenscheiben.
Die letzten Sonnenstrahlen vergolden die Spitzen der Eltzschen Burghäuser. Ruhe kehrt nun ein.
> Kommt nicht gerade der kleine Sohn der Küchenmagd mit dem Hund vom nachmittäglichen Räubern aus dem Wald mit seiner geringen Beute? Erklingen nicht schon von fern die Waldhörner der Jagdgesellschaft, die seit früher Stunde ausgeritten? Schon schlagen die Hufe auf der Burgbrücke, Stimmengewirr, Hunde bellen, auf dem Lastpferd schaukeln die schweren Leiber von Hirsch und Sau.
Die kleinen Fenster zum Burghof gehen auf, die Frauen schauen, die Kinder rufen, in den Küchenräumen brennt das Feuer, Kienspäne geben ein fahles Licht. Der Türmer bläst die 7. Stunde, der Pförtner schließt das schwere Tor. Für heute wird niemand mehr eingelassen. Helle Stimmen aus der Kemenate. Dunkle brummen hinter den Butzenscheiben in männlicher Runde<.
Plötzlich eine Kommandostimme! Ein strammer, mittelalter Mann befragt mit lauter, drängender Stimme den Kastellan, „ja, heute gibt es keine Führung mehr“, erwidert dieser, „ja! und am 31. Oktober endet die Saison. Wir machen dann erst wieder Führungen nach Ostern!“
Welche abgeschiedene Ruhe wird wohl in den dunklen Tagen im Winter hier herrschen?
Noch zweieinhalb Kilometer bis nach Moselkern, dem Endpunkt der Wanderung. Das junge Paar hat HGE eingeholt. Man geht gemeinsam die letzten Meter. Der stramme Herr überholt uns mit hartem Schritt. Militärisch korrekt ist das Outfit! Klare Linien an seinem Rucksack, hier die Flasche, dort der Mantel, zack und akkurat, Fremdenlegion? Lange gedient? Seine merkwürdig unmilitärisch bauschige, lange dunkle Hose ziert ein zentimeterlanger Einriss. Ergebnis einer nächtlichen Attacke gegen einen imaginären Feind im Wald? Am Lagerfeuer hat er sie dann mit „Bordmitteln“ genäht, Marke: Pathologie. Harte, feste Nähte, heller, dicker Zwirn auf dunklem Tuch, nicht zu übersehen!
Bei ihm sein Kamerad: ein vom Boden aus kurzer, in der Länge jedoch großer, dackelartiger Hund; ein Hund mit „abgesägten“ Läufen. Corgi die Rasse, die englische Königin hat deren viele, „konnte er denn beim Wandern mithalten?“, „ja und ob, heute achtzehn Kilometer gemacht. Er ist fitter als ich!“ Plötzlich, der kleine Hund bleibt ein wenig hinter seinem vorwärtsstrebenden Herrn zurück, da klappen wie auf Kommando die beiden Vorderläufe ein und er fällt „auf die Schnauze“, der füllige Körper auf den viel zu kurzen Beinen macht eine „Bauchlandung“.
Kaiser Wilhelms Strategen hielten viel von einem Aufmarsch gegen den Erbfeind Frankreich durch das Moseltal bis tief hinein ins Elsaß-Lothringische. Zielort und Garnisonsstadt nach dem gewonnenen Krieg von 1870/71 war Metz.
Uns ist davon eine herrliche Moselbahnstrecke geblieben. Das Bahnhofsgebäude in Moselkern überzeugt noch im reinen Stil des Historismus, die Türbeschläge am Hauptportal, BSF, haben Jugendstilfiligran. Echte Majolikafliesen bröckeln von den Wänden. Der Wasserhahn über dem blaumelierten Waschbecken, ebenfalls aus Majolika, fehlt heute. Hier konnte man sich nach langer Bahnfahrt den Staub und den Ruß vom Gesicht waschen.
> War da nicht eben die Motordroschke, das Wunder aus dem Hause Daimler, vorgefahren. Herr Kommerzialrat nebst Gattin, Tochter, Zofe und englischer Nurse begeben sich in den Wartesaal erster Klasse. Der Zug von Metz über Trier nach Köln wird in Kürze erwartet. Die Kleider rauschen, um die Zigarre strömt heller Rauch. Der Droschkenfahrer zieht seine Mütze. Ein großzügiges Trinkgeld! Die Weinflaschen klimpern im Korb, die Strohhüllen rascheln. Herrje!, was werden die Herren in Köln zu diesem köstlichen Rieslingtropfen sagen?<
„Der nächste Zug kommt heute erst um 19.51“ sagt der freundliche Bahnbeamte zu HGE, „nach Koblenz, dann umsteigen und Abfahrt 21.45 nach Andernach, umsteigen, Ankunft in Mayen um 22.15“.
Das ist verdammt spät, was werden Ute und die Kinder sagen?
Die Hunsrückkonturen werden schärfer, der Nachthimmel dunkler. In der trockenen Kälte leuchten die ersten Sterne. Ein Binnenschiff tuckert moselaufwärts. Die beiden Jungs mit den Angeln sagen brav, „Guten Abend“. Aus den langen dürren Schornsteinen auf den steilen mittelalterlichen Giebeldächern quiemelt der Rauch. Mutter hat im Küchenofen Holz aufgelegt. Vom Kirchturm schlägt es sieben, die letzten Wochenendbesucher ziehen ins nahe Weinlokal. „Schau Mal, ein echter Wanderer!“ auf HGE zeigend.
Heimatliebhaber haben 1897 in Moselkern dem berühmten Spätrömer Magnus Ausonius aus Trier eine schöne Gedenktafel mit den Einschriften: „Lob der Elz“ und „de Mosella“ errichtet. Sie glaubten in seinen Versen: nec minor hoc, tacitum qui per sola pinguia labens stringit frugiferas felix Alisontia ripas (nicht geringer als sie hat auch die gesegnete Elz (?), die still durch üppige Fluren gleitet und an fruchtbaren Ufern entlangstreift) dass mit der Alisontia das Flüsschen Elz gemeint sei, obwohl HGE den ganzen Wandertag lang nur enge Täler mit schmalen und wenig fruchtbaren Ufern kennen gelernt hat.
Im Taxi ist es warm. „Mit fünfzig Mark kommen Sie nicht aus, das muss ich Ihnen bereits jetzt sagen!“, erklingt es im moselländischen Deutsch. „Lassen Sie mich vor dem Altstadtring in Mayen raus, die letzten Schritte gehe ich zu Fuß, dann brauchen Sie nicht um die Altstadt zu fahren“, sagt HGE. HGE musste siebzig Mark zahlen.
Vierzig Kilometer! HGE merkt es in den Beinen. Wie fühlt sich ein Marathonläufer nach seinem Lauf? Caro ist am Telefon, “wir lassen Dir ein halbes Hähnchen über!“ Das Autoradio sendet die Kellerparty von SWF 1. Auf der A 61 herrscht wenig Verkehr.
HGE Oktober 1996/2005
P.S. Das malerische Städtchen Monreal ist einen eigenen Ausflug wert !
Fotos: vom Verfasser
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